Was sind Naturentnahmen?

Dieses Thema im Forum "Naturformen" wurde erstellt von Gast, 29. Oktober 2010.

  1. Gast

    Gast Guest

    Da im Forum öfter der Begriff "Naturentnahme" gefallen ist und es Fragen dazu gegeben hat, soll hier etwas näher darauf eingegangen werden.
    Eine Naturentnahme ist, wie der Name sagt, die Entnahme einer Orchidee direkt aus der Natur, gewöhnlich von einem Baum. Dies grenzt sich ab von der Entnahme aus einer Gärtnerei, die sich dann aber Kauf nennt und gewissen Regelungen unterworfen ist. Naturentnahmen können legal und illegal sein. Illegal ist der Weg: Baum - Koffer - Zollvorbei - Fensterbank - nagehtdoch. Aber es gibt auch legale Naturentnahmen. Das CITES sieht neben den üblichen Anhang Ia, IIa auch Iw, bzw. IIw vor. Während a für artifical (propagated) steht, bedeuted w wild taken, also eine Naturentnahme. Dieses CITES mit dem Zusatz w wird aber nur in seltenen Fällen ausgestellt, z.B. bei einem Forschungsvorhaben, oder Rettungsaktionen, aber auch von manchen (wenigen) Ländern. (Allerdings werden solche CITES nicht immer von der deutschen BfN Behörde genehmigt, d.h. man bekommt trotzdem keine Einfuhrgenehmigung). Fazit: Es gibt also legale Naturentnahmen, die aber eher die Ausnahme sind.
    Eine illegale Naturentnahme ist natürlich strafbar, die Pflanzen können konfiziert oder vernichtet werden und theoretisch sind auch alle Nachkommen illegal.
    Sind denn Naturentnahmen überhaupt sinnvoll? Unter bestimmten Vorraussetzungen wahrscheinlich ja. Beispielsweise klagen Orchideenfachleute, dass sie eine neue Art nicht beschreiben können, da diese erst gar nicht eingeführt werden konnte und die Beschreibung einer illegal eingeführten Pflanze möglicherweise nicht anerkannt wird. Das ist eine große Hürde für Taxonome.
    Auch Züchter sind auf der Suche nach "neuem Blut". Sei es wegen phänotypischen Eigenschaften oder wegen eines neuen Genpools. Es gibt die Theorie, dass sich Kreuzungen über mehrere Generationen aus einem begrenzten Genpool heraus selbst schwächen, d.h. sie wachsen schlechter. Eine Einkreuzung "frischer" Gene kann deshalb vorteilhaft sein.
    Ein weitere Punkt wäre die Arterhaltung. Nicht wenige Orchideenarten sind endemisch, prinzipiell selten oder durch Übersammlung fast ausgerottet. In den meisten Fällen besteht dann kaum eine Möglichkeit diese Pflanze einzuführen um sie zu vermehren. Konventionell über einheimische Gärtnereien sind diese Pflanzen nicht verfügbar, bzw. der exportierende Händler bekommt dafür keine Exportgenehmigung. Nun führen Verbote nicht automatisch zu einem Schutz, sondern bestenfalls zu einer Verzögerung, sie sind deshalb langfristig nicht effektiv. Der Artenschutz bei Orchideen basiert im wesentlichen auf Verboten, aber leider noch nicht auf nachhaltigen Nachzuchtprogrammen. Falls aber doch einmal die Rahmenbedingungen für solche Projekte geschaffen würden, könnte man auch hier über (legale) Naturentnahmen nachdenken.
    Eine weitere Frage:

    Kann man den Pflanzen ansehen, ob es sich um Naturentnahmen handelt?

    Nun stammen alle Orchideen aus der Natur, zumindest irgendwann einmal. Die Frage müsste deshalb heißen, kann ich den Orchideen ansehen ob sie unmittelbar der Natur entnommen worden sind?
    Um es kurz zu machen, nein. Man kann sich zwar am optischen Eindruck orientieren und plausible Überlegungen anstellen, aber eine 100% Sicherheit ist das nicht. Leichter lässt sich die umgekehrte Frage beantworten, kann ich sehen ob es künstlich vermehrte Pflanzen sind? Üblicherweise wachsen solche Pflanzen unter kontrollierten Bedingungen, d. h. keine/wenige Blattschäden durch Insekten oder Pilze, keine Flechten auf den Blättern und ein insgesamt eher einheitlicher "geordneter" Wuchs. Auch Jungpflanzen und Hybriden lassen sich relativ leicht dieser Kategorie zuordnen, denn beides ist sehr unwahrscheinlich für eine Naturentnahme.
    Wie sieht es aber nun aus mit eine angeknapperten Pflanze, krakeliger Wuchs, mit Moos oder Flechtenbewuchs, so als sei sie frisch vom Baum gerupft? Nun muss man sich klar machen woher die Pflanze kommt. Gärtnereien in tropischen Ländern kultivieren ihre Pflanzen gewöhnlich im Freien und meist nur unter einer einfachen Schattierung. Oft werden die Pflanzen aufgebunden, da die Kultur leichter ist und Töpfe fehlen, für den Export werden sie aber wieder runtergerupft (bare roots). Insgesamt ist die Kultur sehr nahe den natürlichen Bedingungen angelehnt und dementsprechend sehen die Pflanzen auch aus. Pflanzen aus solchen Gärtnereien lassen sich kaum von unmittelbaren Naturentnahmen unterscheiden, obwohl es sich formal um künstlich vermehrte Pflanzen handeln kann. Letztlich muss man dann dem CITES Dokument zu vertrauen, denn der einzige Kontrolleur ist die CITES Stelle vor Ort, diese hat noch am ehesten die Möglichkeit alle Rahmenbedingungen in ihre Entscheidung bei einer Exporterlaubnis einzubeziehen.
    Ob man nun eine moralische Fragestellung daraus macht, bleibt jedem selbst überlassen. Man kann aber pragmatisch vorschlagen, wenn man eine Naturform hat, egal woher, pflege sie gut, mach Teilstücke, die du weitergibst und versuche eine Samenkapsel zu machen.
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 30. Oktober 2010
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  2. YardMan

    YardMan Guest

    Eine sehr ausführliche Erklärung zu dem Thema, danke.:yes:

    Jetzt frage ich mich als Neueinsteiger aber warum denn manche Mitglieder hier Naturentnahmen in ihrer Orchideenliste haben.

    Ich hoffe die Frage macht jetzt kein böses Blut oder so..eigentlich dürfte es doch keine Naturentnahmen in Privatbesitz geben, oder?:rolleys_1:

    Oder hab ich da was falsch interpretiert?:???
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 29. Oktober 2010
  3. pepsi

    pepsi Guest

    Na ja, manchmal fallen halt Orchideen vom Baum :shocked:, um sie zu retten landen sie dann im Koffer :sad: und so in private Gewaechshaeuser :wink2:.
     
  4. Ingrid

    Ingrid Administrator Mitarbeiter

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    Ich denke aber nicht das jemand der das getan hat es öffentlich macht. Ich halte solche Angaben für unwissentliches Geplapper, ähnlich wie ständig von Züchtern geschrieben wird, und doch nur Händler gemeint sind, sie so viel Ahnung von Orchideenzucht haben wie ein Meerschweinchen.
     
  5. Gast

    Gast Guest

    Wenn manche Mitglieder in ihrer Liste "Naturentnahme" stehen haben kann es, s.o., legal sein. Wenn nicht ist es schlichtweg dumm. Es gibt eine gesetzliche Seite die es zu beachten gilt, auch wenn die Mitnahme von ein paar Pflanzen sicher nicht die Existenz der Orchideen bedroht. Es gab auch Überlegungen bis zu 5 Orchideen ohne Papiere einführen zu dürfen, das scheiterte wahrscheinlich "am Prinzip".
     
  6. pepsi

    pepsi Guest

    Ich habe nicht die Haendler gemeint, sondern Privatpersonen und es gibt davon mehr als du denkst :yes:.
    Mit den Haendlern habe ich persoehnlich keine Erfahrung, kann darueber nichts von mir geben.

    Lg
     
  7. Ingrid

    Ingrid Administrator Mitarbeiter

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    Das habe ich auch so verstanden und ich habe auch Privatpersonen gemeint und mit Händlern meine ich tatsächlich Händler, die z.B. Pflanzen privat verticken, nicht unsere seriösen Gärtner/Züchter. Den Unterschied bitte ich unbedingt zu beachten.
     
  8. pepsi

    pepsi Guest

    Zum Glueck reise ich nicht in der Welt herum :sad:, also bleiben mir die hiesigen Haendler und die Orchideen-Foren, die nicht zu teuer verkaufen :lol:. Ja jetzt ist wieder eine Ausstellung :happy:, da muss ich wieder zuschlagen :sad:, halte mich schon eine ganze Weile zurueck :D.
     
  9. Hendrik

    Hendrik Guest

    Ich kann mir auch gut vorstellen, dass manche Natur'form' und Natur'entnahme' nicht korrekt auseinander halten.

    lg Hendrik
     
  10. karola

    karola Guest

    Ja, das denke ich auch.

    Gruß,
    Karola.
     
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